Ich habe vor einiger Zeit über Bücher und Filme geschrieben, die mich als Jugendlicher beschäftigt haben. Es gibt noch ein drittes Feld, das für mich wichtig war und das mich immer noch sehr interessiert: Computerspiele. Ich weiß, das Thema gilt als nerdig. Doch ich verstehe nach wie vor nicht, warum diese Kunstform (ja, Kunstform!) nicht als gleichwertig mit Film und Buch verstanden wird. Dass die Branche inzwischen mehr Umsatz macht als das Filmbusiness ist nur ein Nebenaspekt. Wichtiger ist, dass es sich einfach um ein Medium handelt, mit dem Geschichten erzählt werden. Das Besondere an diesen Geschichten ist, dass sie INTERAKTIV sind. Dass die Geschichte erzählt wird, ist also nicht ganz richtig, die Spieler beobachten die Hauptfigur ja nicht, sondern HANDELN für die Hauptfigur. Sie erleben die Geschichte also in gewissem Sinn selbst, indem sie teilweise mit der Hauptfigur verschmelzen. Darin liegt der Reiz.
Die Spielebranche ist jung, und das merkt man. Spiele-Studios kommen aus den USA, Japan, Polen, der Ukraine, Frankreich, Österreich und anderen Ländern. Das hat kaum Relevanz. Ein ukrainisches Studio kann glaubwürdig die Geschichte eines amerikanischen Schriftstellers umsetzen, während ein kanadisches Studio seine Science-Fiction-Geschichte in Prag ansiedelt. Das Genre ist hier wunderbar offen, wobei es keinerlei Unterscheidung zwischen U und E gibt. (Böse Zungen werden behaupten, dass eben die E-Sparte fehlt, doch dem würde ich nicht zustimmen.) Es gibt außerdem Platz für viele Dinge, die in Film, Buch und anderen Medien nur schwer umzusetzen wären, weil die Schubladen zu klein sind. Klingt provokant? Das hoffe ich doch!
Ich möchte hier ein paar Spiele anführen, die mich außerordentlich gefesselt haben und die ich wärmstens empfehlen kann. Enjoy!
Last of Us, Teil 1 und 2 – derart atmosphärisch und feinfühlig wurden menschliche Abgründe selten dargestellt, und es freut mich wahnsinnig, dass Autor Neill Druckmann sein Spiel als HBO-Serie umsetzen darf. (Ebenfalls gefreut hat mich, dass einer der diesjährigen Bachmannpreis-Siegertexte mit dieser Spieleserie verglichen wurde.)
Life is strange – Französisches Studio, spielt mit Macht und Machtlosigkeit wie es kein Buch oder Film jemals geschafft hat, wobei die Pinselstriche sichtbar geblieben sind.
SOMA – Philosophische Fragen um Transhumanismus, Identität und Menschsein habe ich noch nie (!) irgendwo besser behandelt gesehen.
Death Stranding – Hideo Kojima, der Autorenfilmer des Spielegenres, hat ein wunderbar kryptisches, bedeutungsschwangeres und ironisches Erlebnis um einen Paketboten in einer sterbenden Science Ficton Welt geschaffen. Die Hollywoodregisseure Guillermo del Toro und Nicolas Winding Refn haben sich scannen lassen und ihr Aussehen für zwei der Charaktere zur Verfügung gestellt.
Watchdogs – Überwachungsdystopie als Abenteuerspiel, vor allem Teil zwei voller herrlicher Popkultur-Anleihen.
Everybody’s gone to the rapture – Ein Spiel, in dem es um nichts anderes geht, als eine Geschichte in einer von Menschen verlassenen Welt zu entdecken. Dass es überhaupt fesseln kann, ist mir ein Rätsel.
Bioshock Infinite – Zeitreisen-Parallelrealitäten-Mindfuck von biblischen Ausmaßen.
No mans sky – Ein unendliches und wunderschönes computergeneriertes Universum bereisen, in Virtual Reality.
Genug der Tipps. Für den Einstieg reicht es. Viel Spaß!