Es gibt eine Frage, die mir häufig gestellt wird: Ob ich nicht einen Slackline-Krimi schreiben möchte, „Mord auf der Highline“.
Die Frage taucht in so erstaunlicher Regelmäßigkeit immer wieder auf, dass ich dazu etwas sagen möchte.
Ich bin als Jugendlicher zum Schreiben gekommen. Ich war ein leidenschaftlicher, schüchterner, etwas komplizierter junger Mann, schlecht im Fußball, aber mit einer überbordenden Fantasie. Zu meinen Lieblingsbüchern gehörten „Nachtschicht“ von Stephen King, „Der Name der Rose“, „Der Herr der Ringe“, „Gyre“ von Clive Barker (ich lese es gerade wieder und liebe es immer noch), eine Kurzgeschichtensammlung von H.P. Lovecraft, in einer Übersetzung von H.C. Artmann, sowie die gesammelten Werke von Edgar Allen Poe. Ich war das, was man gemeinhin einen „Streber“ nennt und holte mir diese Bücher meist aus der Schulbibliothek.
Bücher waren wichtig für mich, aber auch Filme, aus dem Fernsehen aufgezeichnet, oft in reduzierter Qualität, um mehr auf einer Kassette unterzubringen. Aus dieser Zeit sind mir „Angel Heart“ mit Mickey Rourke, „Blade Runner“, die „Alien“-Serie, „Das Schweigen der Lämmer“, „Lost Highway“ von David Lynch, „Benny’s Video“ von Haneke und „Manhunter“ von Michael Mann in Erinnerung geblieben. Bei Letzterem handelt es sich um eine Verfilmung von „Roter Drache“ von Thomas Harris, noch bevor Anthony Hopkins als Hannibal Lecter berühmt wurde. Dieser Film ist heute wenig bekannt, aber mir ging er jahrelang nicht mehr aus dem Kopf. Für mich ist das der perfekte Thriller. Michael Manns Bildsprache, das kühle Neonlicht in der Wohnung der Mordopfer, das ist genau die Atmosphäre, die ich mir von einem Thriller wünsche. Weitere Filme, die wichtig für mich waren, sind „Cliffhanger“ mit Sylvester Stallone und „Abyss“ von James Cameron. Ersterer hat diese intensiven Höhenangst-Szenen auf dem Stahlseil zwischen zwei Gipfeln, Letzterer diese eine Szene, wo Ed Harris ohne Ausrüstung von einem Teil der unterseeischen Ölbohrplattform zum anderen taucht. Diese beiden Szenen haben Anteil daran, dass ich heute Slackliner und Freitaucher bin.
Es gab noch zwei Medien, die mich in dieser Zeit beschäftigten. Das eine war Musik. Ich hörte Heavy Metal, klassische Musik und Filmmusik und hatte selbst eine Band, in der ich Gitarre spielte. Ich vertonte einmal ein Theaterstück, das ich gemeinsam mit Freunden inszenierte – Othello. Dinge, die man als Jugendlicher ausprobiert. Das andere Medium waren Videospiele, die damals noch Computerspiele hießen. Dazu werde ich ein andermal etwas schreiben.
Dass ich in dieser Zeit zu schreiben begann, lag daran, dass die Begeisterung für diese Medien zu vielen eigenen Ideen führte, die ich umgesetzt sehen wollte. Mit Mitte 20 hatte ich vier fertige Romane in der Schublade. Einer davon ist sogar richtig gut, wie ich finde. Zu dieser Zeit gab es im deutschsprachigen Raum leider keine Verlage für solche Geschichten. Das hat sich inzwischen zum Glück geändert.
Auch für Thriller gab es lange Zeit kein Umfeld in unseren Breiten. Zu diesem Genre zog es mich mehr und mehr hin. Das lag natürlich nicht zuletzt an dem wunderbaren „Manhunter“-Film. Als ich auf dem Höhepunkt meiner Karriere als Extremsportler, die ich mir wider alle Erwartung aufgebaut hatte, plötzlich feststellte, dass es nun Verlage gab, die deutssprachige Spannungsliteratur veröffentlichten, begann ich wieder zu schreiben. Ich setzte alles daran, da reinzukommen, und inzwischen ist es mir gelungen. Ich kann jetzt meine Ideen umsetzen. Und – leider – da sind keine Slacklinekrimis dabei. Aber ganz ehrlich: Würdet ihr so etwas wirklich lesen wollen? Eben.