Es ist die Zeit der vergessenen Slacklineprojekte. Vor einigen Jahren suchte ich intensiv und manchmal verbissen nach den schönsten und schwierigsten Highlines, immer an meinem Limit, und manchmal mit sehr befriedigendem Ergebnis. Einige der Projekte blieben aber ein Traum. Zu schwierig, zu hoch gegriffen.
Zum Beispiel dieses: Eine Highline über einen Stausee, der im Winter teilweise geleert wird, sodass eine wunderbar kahle Schlucht entsteht. Der betreffende See ist allerdings recht breit und ich hatte die Idee, die Ankerpunkte tiefer zu setzen, sodass sie im Sommer geflutet würden. Erste Versuche mit Slacklinekollegen Peter Auer waren wenig ermutigend. Die 100 Meter waren zu lang für mich – Länge bedeutet Leerraum, und das macht die Orientierung schwierig. Dazu kommt das Gewicht des Bandes, das durch die Unruhe bei Gehen in Schwingungen versetzt wird. Eine solche Highline bestraft gnadenlos jede falsche Bewegung. Die Line blieb also unbegangen, das Atlantis-Projekt war geboren.
Viele Jahre ruhte das Projekt, meine Bohrhaken lagen die meiste Zeit unter Wasser und die Atlantis-Highline geriet beinah in Vergessenheit. Bis zwei motivierte Grazer Highliner, Philipp und Marc, besagten Stausee für sich entdeckten und begannen, dort lange Slacklines zu spannen. Ich zeigte ihnen meine alten Bohrhaken, und plötzlich kam wieder Bewegung in die Sache.
Letzte Woche baute ich die Line mit Marc und ein paar Jungs aus Graz erneut auf. Ein für Jänner günstiges Schönwetterfenster sorgte für wunderbar raue Winterbedingungen. Und nachdem Marc sich die Erstbegehung geholt hatte, konnte ich, mit für mich ungewöhnlicher Ruhe, die schwierige Line in beide Richtungen begehen.
Der Tag mit dem Atlantis-Projekt war für mich ein besonderer Genuss. Ich trainiere wenig, längst liegt mein Fokus auf anderen Dingen. Doch an Tagen wie diesen erlebe ich Slacklinen so, wie es sein soll: als außergewöhnliche Beschäftigung und einzigartige Kunstform.